Biondini - Godard - Niggli

Luciano Biondini – accordion
Michel Godard – tuba, serpent, e-bass
Lucas Niggli – drums, percussion

Ein Dreier Gespann "Italien-Frankreich-Schweiz", das sich nicht in engen Bergtälern verirrt, sondern darüber hinweg surft, mit freier Sicht aufs Mittelmeer, sich über die Höhen und Tiefen dieser musikalischen Geografie hinweg swingt.
Drei Virtuosen, die auch an und über die Grenzen gehen, was die Spieltechniken und Ausdrucksformen mit ihren Instrumenten anbelangt.
Biondini - Godard - Niggli steuern eine Seelenmusik an, voller Energie, Poesie und auch feinem Witz.
Ihre Kompositionen dienen als ideale Sprungbretter für die lustvollen Geschichtenerzähler, die diese drei Improvisatoren sind.
Das Trio hat zwei viel beachtete CDs „What is There What is Not“ und "Mavi" auf dem renommierten Label INTAKT Records veröffentlicht.

Ein Konzertbericht von Christoph Wagner zu einem Konzert im Sudhaus Tübingen

Le sonnet oublié: von Bert Noglik

Das Vergessene, das wieder Gefundene, das neu Ersonnene – ein Spiel mit Erinnerungen und mit der Kraft der Imagination. Dieses Sonett von neulich, diese Tarantella, diese Valse Musette, dieses afrikanische Lied… Auf dem Weg ins Studio, auf dem Gang zur Bühne, auf der Treppe zum Licht… Im Jazz liegt die Seele der Improvisation, aus den Tiefen des Gedächtnisses kommt die Melodie. Und der Rhythmus schickt die drei Musiker tanzend ins Hier und Jetzt. Wenn sie zusammenkommen, verbinden und verschränken sich nicht nur die Klangfarben der Instrumente, sondern all die auf unterschiedlichen Pfaden gewonnenen Erfahrungen in einer dichten Interaktion. Michel Godard spielt mit seinen profunden Kenntnissen, die er auf musikalischen Zeitreisen zwischen Mittelalter, Renaissance, Barock, Neuer Musik und Jazz sammeln konnte. Luciano Biondini lässt sein Akkordeon mit Bravour in die Sphären der Abstraktion abheben und erweist sich doch zugleich geerdet in der Geschichte des Instruments, die sich im Wechselspiel von Volkskultur und kunstsinnigem Virtuosentum, in ihrer Nähe zum Bodenständigen wie auch zum sphärischen Klang der Orgel der eindeutigen Zuordnung entzieht. Lucas Niggli schließlich, der Tambour des Ensembles, spannt einen Bogen von den Freiheiten der Jazzimprovisation über die Energien der Rockmusik bis hin zu dem im Umgang mit Neuer Musik gewonnenen Feinsinn für Nuancen und strukturelle Differenzierungen. Und auch das spiegelt sich indirekt in der Musik dieses Trios: die Erfahrungen, die Luciano Biondini und Michel Godard im Spiel mit Rabih Abou-Khalil auf dem fliegenden Teppich zwischen Orient und Okzident gesammelt haben ebenso wie das Eintauchen in eine Welt klangrhythmischer Vielfalt, die Lucas Niggli bereits in jungen Jahren mit Godard in der Zusammenarbeit mit Pierre Favres in dessen Ensemble „Singing Drums“ erfahren hat.

Wenn Luciano Biondini, Michel Godard und Lucas Niggli gemeinsam musizieren verschwimmen die Grenzen von Alter und Neuer Musik, von imaginärer Folklore und jazzinspirierter Improvisation. Man kann sich den Treffpunkt virtuell im Dreiländereck zwischen Italien, Frankreich und der Schweiz vorstellen. Das wäre – und das Bild von den Höhen erscheint gar nicht so unpassend – auf der Bergspitze des Mont Dolent, nahe dem Mont Blanc. Doch dieses Spiel entgrenzt sich der territorialen und der stilistischen Festlegungen. Alpenländisch und zugleich mediterran, filigran gewoben und durchzogen von starken Melodien, angetrieben von ebenso kräftigen wie sensiblen, dabei oft komplexen Rhythmen, entwerfen die drei Musiker große Bögen – innerhalb der Stücke, aber auch in der Abfolge, die Themen von John Coltrane und Johann Sebastian Bach fließend zu integrieren vermag. Keine Übersetzungen in ein swingendes Idiom, sondern herzliche Anverwandlungen, die sich Bach vorsichtig und respektvoll annähern, um ihn schließlich kühn in einem iranischen Rhythmus tanzen lassen. Auch dies ein Bogenschlag über die Zeiten, die Gemütsverfassungen, die Regionen, die Kontinente, die sich schon in früher Zeit berührt haben mögen. Memorieren und erfinden gehen Hand in Hand, verbinden sich zu einem gemeinsamen Atem, finden zu einer Musik von großer Leichtigkeit, gestalten die Zusammenkunft zu einem vor Freude vibrierenden Fest.

Zurück